Die Eroberung von Aksum durch Yekuno Amlak; ein Wendepunkt für die Machtverhältnisse im mittelalterlichen Äthiopien und der Beginn einer neuen Dynastie

Das 13. Jahrhundert in Äthiopien war eine Zeit des Umbruchs. Die Zagwe-Dynastie, bekannt für ihre extravaganten Felsmonumente wie das Lalibela, begann zu zerfallen. Interne Machtkämpfe und Rebellionen schwächten ihr Regiment. In diese politische Lücke trat Yekuno Amlak, ein Adeliger aus der Region Tigray. Seine Geschichte ist geprägt von Mut, strategischer Brillanz und einer Prise göttlicher Intervention – zumindest laut den Chroniken seiner Zeit.

Yekuno Amlak beanspruchte die Abstammung vom legendären salomonischen König David und sah sich somit als legitimen Herrscher Äthiopiens. Er nutzte die Unruhen unter den Zagwe, um seine Macht zu stärken. Mit der Unterstützung von lokalen Führern und einer wachsenden Armee zog er gegen Aksum, das politische und religiöse Zentrum des Landes. Die Eroberung dieser Stadt im Jahr 1270 markierte einen entscheidenden Wendepunkt. Aksum fiel, die Zagwe-Dynastie wurde gestürzt und Yekuno Amlak begründete die Solomoiden-Dynastie, die Äthiopien für die nächsten Jahrhunderte regieren sollte.

Warum war die Eroberung von Aksum durch Yekuno Amlak so wichtig? Die Antwort ist vielschichtig:

• Politische Umwälzung: Die Eroberung beendete die Herrschaft der Zagwe und legte den Grundstein für die Solomoiden-Dynastie. Diese Dynastie prägte Äthiopien über Jahrhunderte, etablierte enge Beziehungen zu christlichen Ländern in Europa und spielte eine entscheidende Rolle in der Verteidigung des Landes gegen muslimische Invasoren.

• Symbolische Bedeutung: Aksum war mehr als nur ein politisches Zentrum. Als Sitz der äthiopisch-orthodoxen Kirche besaß die Stadt immense religiöse Bedeutung. Die Eroberung von Aksum durch Yekuno Amlak ermöglichte es ihm, seine Herrschaft nicht nur politisch sondern auch religiös zu legitimieren.

• Ökonomische Konsequenzen: Aksum war ein wichtiger Handelsknotenpunkt im mittelalterlichen Äthiopien. Die Kontrolle über die Stadt gab Yekuno Amlak Zugang zu wichtigen Handelswegen und ermöglichte ihm die wirtschaftliche Stärkung seines Reiches.

Die Eroberung Aksums war nicht nur ein militärischer Sieg, sondern auch ein komplexes politisches Ereignis mit weitreichenden Konsequenzen für Äthiopien.

Ein Blick auf die historischen Quellen:

Unsere Kenntnisse über Yekuno Amlak und seine Eroberung Aksums stammen hauptsächlich aus zwei Quellen:

• Die “Kebra Nagast” (Chronik der Könige): Diese mittelalterliche äthiopische Schrift beschreibt die Geschichte Äthiopiens von den Anfängen bis zur Herrschaft des Kaisers Lebna Dengel im 16. Jahrhundert. Die Kebra Nagast schildert Yekuno Amlak als einen heldenhaften Herrscher, der durch göttliche Fügung an die Macht gelangte.

• Die “Geschichte Äthiopiens” (History of Ethiopia) von Taddesse Tamrat: Dieses Werk, das auf verschiedenen Quellen basiert, bietet eine detailliertere und kritischere Analyse der Geschichte Äthiopiens im Mittelalter.

Die Debatte um Yekuno Amlak:

Yekuno Amlak’s Eroberung Aksums war nicht unumstritten. Einige Historiker stellen seine Legitimität als Herrscher in Frage. Sie argumentieren, dass er durch Intrigen und Gewalt an die Macht gelangte und dass die Zagwe-Dynastie ungerecht behandelt wurde. Andere Historiker betonen Yekuno Amlaks militärische Fähigkeiten, seine politische Weitsicht und seinen Beitrag zur Stabilität Äthiopiens.

Tabelle: Vergleich der historischen Quellen:

Quelle	Perspektive	Vorteile	Nachteile
Kebra Nagast	Idealisiert, religiös gefärbt	Lebendige Darstellung, mythische Elemente	Wenig objektiv, tendenziöse Darstellung
Geschichte Äthiopiens	Wissenschaftlich, kritisch	Detaillierte Analyse, breites Quellenmaterial	Komplexer, weniger zugänglicher Stil

Die Eroberung von Aksum durch Yekuno Amlak ist ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte Äthiopiens. Es war eine Zeit des Wandels, der Unsicherheit und letztlich der Neuordnung der politischen Landschaft. Die Ereignisse dieses Jahrhunderts werfen bis heute Fragen auf und regen uns dazu an, die komplexe Vergangenheit dieses afrikanischen Landes zu erforschen.

Und wer weiß? Vielleicht entdecken wir eines Tages neue Quellen, die unsere Sichtweise auf Yekuno Amlak und seine Rolle in der äthiopischen Geschichte noch weiter verändern werden.